Fast alle geschichtlichen Aufsätze, Artikel und Berichte handeln von den Reichen, Mächtigen, Klugen und Berühmten oder aber von den militärischen Auseinandersetzungen einer jeden Zeit. Ich habe nun versucht herauszuarbeiten wie der gemeine Deutsche, also auch die Leute in Odagsen, um 1700 gelebt haben:
Die große Mehrheit der Deutschen wohnt in Bauerndörfern — wie überall in Deutschland: 80 Prozent der 15 Millionen Menschen sind Bauern, Gesinde, Handwerker und Tagelöhner auf dem Land.
Ihre Hütten sind meist mit Stroh oder Schilf gedeckt, die Wände bestehen aus Holz oder Lehm. Auf engem Raum schlafen, kochen, arbeiten hier drei Generationen der Bauernfamilien,
dazu oft eine Magd und ein Knecht. In kleineren Siedlungen stehen nur wenige Katen zusammen, in etwas größeren Dörfern reihen sich häufig zwei oder drei Dutzend Höfe an den Kanten einer
rechteckigen Freifläche. In der Dorfmitte befinden sich bisweilen ein Wirtshaus und eine - meist lutherische - Kirche.
Die Landleute bauen vor allem Roggen, Gerste und Hafer an. Ein Drittel der Äcker liegt stets brach, damit sich der Boden erholen kann. In ihren Ställen halten sie Ochsen oder Pferde, mit denen
sie die Äcker pflügen, dazu Hühner und bisweilen Milchkühe und Mastschweine. Der Takt der Jahreszeiten bestimmt das Leben: Im Herbst sähen die Bauern das Wintergetreide, im Frühjahr bringen
sie die Sommersaat aus.
Steuern bedeuten eine enorme Belastung. Aus zehn Körnern Saatgut ernten die Bauern in einem normalen Jahr gut 40 und brauchen weit mehr als die Hälfte davon für die nächste Aus-
saat und um ihre Familien, Gesinde und Tiere zu ernähren. So bleibt nur wenig Überschuss, den sie verkaufen oder für schlechte Zeiten lagern können. Wegen der niedrigen Getreidepreise
bauen viele Landleute nebenbei Flachs an und spinnen ihn zu Garn oder haben Bienenstöcke für Honig und Wachs.
Unterbrochen wird dieser immer gleiche Ablauf nur durch Notlagen, etwa wenn Flüsse über die Ufer treten, Hagel das Korn zerschlägt, ein Brand ausbricht.
Oder wenn Krieg herrscht. Wie so oft. Denn im 17. Jahrhundert ziehen immer wieder Soldaten durchs Land, quartieren sich bei den Bauern ein, rauben ihnen Vorräte und Geld, vergewaltigen ihre Töchter und Frauen, rekrutieren
die Söhne unter Zwang. Die Dorfbewohner leiden oft noch Jahre nachdem die Plünderer abgezogen sind: Da Scheunen abgebrannt, Zugtiere geschlachtet und tüchtige junge Männer weg sind, ernten die Bauern oft nicht genug zum Überleben. Manche Dörfer sind noch Jahrzehnte später unbewohnt, die Äcker verwildern.
Dieses Leid teilt unsere Landbevölkerung mit den Bauern vieler anderer Regionen in Deutschland, die ebenfalls immer wieder von Krieg, Hunger und Pest verheert werden (allein während des Dreißigjährigen Krieges
sterben wohl fünf Millionen Menschen, das ist fast ein Drittel aller Deutschen).
Auf die Kriege folgen daher oft genug Hungersnöte. Die Landbevölkerung wird anfällig für Seuchen, die meist von den Soldaten eingeschleppt worden sind. Und so zählen die Geschichtsschreiber im
17. Jahrhundert neun Pestwellen.
Zur rechtlichen Stellung der Bauern:
In jedem Staat, jeder Region gelten unterschiedliche Regelwerke, und die Bauern sind gegenüber dem Adel fast überall benachteiligt. In vielen Regionen Süd- und Westdeutschlands etwa bekommen die Bauern ihre
Äcker in der Regelgegen Zinsen vom Grundherrn zur Verfügung gestellt, meist einem Angehörigen des niederen Adels, bisweilen aber auch einem Grafen, Abt oder Bischof.
Im übrigen gilt: Adlige erben den väterlichen Stand, Bauern bleiben Bauern, Bürger in der Stadt.
In fünf Stände teilt sich die Stadtbevölkerung auf. Ganz unten stehen die Kutscher, Fuhrleute, Tagelöhner und Dienstboten; dann kommen die Hand-
werker und kleineren Krämer. Die dritte Gruppe bilden die Soldaten des städtischen Militärs sowie Künstler und größere Händler. Darüber stehen Groß-
kaufleute und vornehmere Bürger - und ganz oben schließlich die Akademiker, höchste Amtsträger sowie der Adel.
Die Priviliegierten leben im Schloß luxuriös, aber nicht sehr bequem.
Wo die Fenster der hohen Räume unzulänglich schließen, zieht es elendig. Immer wieder qualmen Kamine nach innen
Vermutlich stinkt es ähnlich wie in Versailles, wo Stühle mit eingehängten Nachtröpfen in den „Garderoben“ stehen
und sich Höflinge zudem mehr oder weniger schamlos in den Ecken erleichtern. Immerhin spenden reichlich teure
Wachskerzen in den fürstlichen Gemächern sowie bei Festen und Empfängen Licht und Wärme. Schilde aus poliertem
Kupfer oder Silber, auch kostbare Spiegel hinter den Wandleutern steigern Ihren flackernden Schein. Anders ist es in den Gesindestuben
und Bauernkaten wo es mit dem Abend auch drinnen dunkel wird, oft billige, überl riechende Rinder- und Schaftalglichter ein wenig Helligkeit spenden.
Dick sein ist attracktiv und erotisch, denn das muss man sich erstmal leisten können. Wer ungehemmt in sich hineinstopft, hat für alle sichtbar die Mittel und das Recht dazu.
Im deutschen Münzwesen herrscht eine verwirrende Vielfalt:
Zwar gibt es mit dem Reichstaler zu 24 Groschen eine überregional anerkannte Handelsmünze, die vor allem vonFürsten mit eigenen Silbergruben wie in
Sachsen und Braunschweig und großen Handelsstädten - etwa Köln, Nürnberg oder Frankfurt - geprägt wird und als Wertmesser für alles Silbergeld gilt.
Daneben aber kursiert in Hansestädten wie Hamburg die Mark Courant, die 16 Schilling zu je zwölf Pfennigen entspricht. In Hessen gilt der Hessen-Albus
zu zwölf Heller. Und in der Reichsstadt Aachen die Mark, die je sechs Groschen, zwölf Schilling oder 72 Heller wert ist. Zu dem kursieren ausländische
Währungen wie der silberne Philippstaler aus den Spanischen Niederlanden und Goldmünzen wie der französische Louisdor und die spanische Pistole.
Überdies bringen illegal betriebene Prägestätten minderwertige Münzen in Umlauf. Und auch Fürsten und Städte lassen immer wieder Geld herstellen,
dessen Edelmetallgehalt nicht dem Nennwert entspricht.
Ich hoffe der Leser hat nun eine ungefähre Vorstellung davon wie der gewöhnliche Dorfbewohner um 1700 gelebt hat.
aus GEO-Epoche Nr. 98 Deutschland um 1700:
entnommen den Beiträgen „1670-1733 August der Starke“, "Frankfurt am Main" und "Das große Sterben"
Deutschland um 1700
Deutschland besteht im Zeitalter des Barock aus Hunderten weitgehend autonomen Einzelstaaten. Die
meisten gehören zum vom Kaiser geführten Heiligen Römischen Reich, andere aber nicht. Viele Landes-
herren streben danach, ihre Macht noch auszubauen - und zu absolutistischen Fürsten zu werden.
ein Nationalstaat existiert nicht. Es gibt das Heilige Römische Reich, das den Zusatz „deutscher Nation“ trägt, aber in Wirklichkeit ein
Konglomerat zahlloser Territorien ist, von denen viele eine nichtdeutsche Bevölkerung haben. So leben in zum Reich
gehörenden Ländern wie Böhmen vor allem Tschechen, in den balkanischen Gebieten vorwiegend Slowenen.
Und es gibt auch Regionen, die überwiegend von Deutschen besiedelt sind, aber nicht zum Heiligen Römischen Reich gehören: Preußen etwa,
das Land an der Ostsee, im Besitz der Hohenzollerndynastie, aufgrund einer höchst verwickelten Vorgeschichte aber nicht Teil des Reichs. Oder der Süden
Schleswigs, das dem König von Dänemark untersteht, genauso wie Holstein, das aber wiederum Teil des Reichs ist.
Es ist kompliziert.
„Deutschland“ im Singular also existiert um 1700 nicht - sondern es gibt nur die „deutschen Lande“ im Plural:
jene Gebiete, deren rund 15 Millionen Bewohner Deutsch sprechen. Dennoch:
Die meisten Deutschen leben in dieser Zeit im Heiligen Römischen Reich -
einem aus dem Mittelalter stammenden Gebilde ohne geschlossenes Territorium, feste Grenzen, einheitliches Recht.
Es ist ein politischer Flickenteppich, über den formal zwar der römisch-deutsche Kaiser gebietet, dessen Einzelteile tatsächlich aber von ihren jeweiligen Herren regiert werden. Unter ihnen sind Mächtige wie der Kurfürst von Sachsen
- aber auch Ritter, die nur über einige Bauernhöfe befehligen. Dazu kommen noch einmal rund 50 Reichsstädte.
Sie alle sind innenpolitisch fast vollständig und in ihrer Außenpolitik weitgehend autonom, dürfen Bündnisse
mit fremden Herrschern schließen. Denn anders als etwa den Königen Frankreichs oder Englands ist es den
Kaisern als Oberhäuptern des Reichs über Jahrhunderte nicht gelungen, die wichtigsten Herrschaftsrechte der loka-
len Adeligen auf sich zu vereinen und einen Zentralstaat zu begründen.
Vor allem die Kurfürsten, die den römisch-deutschen König wählen und damit zum Kaiser bestimmen, forderten
im Lauf der Zeit als Preis für ihre Gunst immer größere Eigenständigkeit - und wurden so de facto zu souveränen Herr-
schern.
Während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) drohte das Heilige Römische Reich
überdies an den tiefen Gräben zwischen den Konfessionen zu zerbrechen.
Nur mühsam konnten sich die Kontrahenten 1648 auf einen Frieden einigen - doch wirkliche Ruhe fanden
die deutschen Lande auch in den Jahrzehnten danach nicht. Wieder und wieder wurden sie zum Kampfschauplatz oder Durchzugsgebiet fremder Truppen, beispielsweise in den Feldzügen um die Vorherrschaft im Ostseeraum.
Im Südosten des Reichs belagerten die Osmanen 1683 Wien und konnten nur unter größten Opfern zurückge-
schlagen werden. Den Südwesten trafen die Angriffe des französischen Königs Ludwig XIV., dessen Truppen ab 1688
systematisch die Pfalz verwüsteten und unter anderem Heidelberg, Mannheim, Worms, Speyer niederbrannten.
Begehrtestes Symbol absolutistischer Macht indessen ist die Königskrone. Weil aber der Kaiser im Reich
eine solche Rangerhöhung nicht zulassen würde, versuchen ambitionierte deutsche Landesherren, etwa der säch-
sische Kurfürst, sich einen ausländischen Thron zu erkaufen (in diesem Fall den polnischen) - und machen die deutsche
Staatenlandschaft um 1700 damit noch ein wenig komplizierter.
Quelle: GEO EPOCHE Nr. 98 Deutschland um 1700
Odagsen gehört übrigens um 1700 zum Kurfürstentum Hannover
1648 Von ziegelbrenner (Diskussion · Beiträge) - Eigenes Werk, source of Information: Putzger – Historischer Weltatlas, 89. Auflage, 1965, CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3537675
Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein gab es in den meisten Orten, auch den großen Städten, keine Hausnummern. Man kennt sich mit Namen, Fremde müssen sich durchfragen. Für die Einführung von Hausnummern bzw. des dazugehörigen Zahlensystems sind vier Gründe verantwortlich: Die Einquartierung von Soldaten, die Branschutzversicherung, die Volkszählung und natürlich die Eintreibung von Steuern. In Odagsen ist vermutlich vor 1752 die Einführung von Hausnummern durchgeführt worden. (siehe Odagsen im Brandkataster 1752 - 1792 ) Dabei ging man nach dem System der Konskritionsnummerierung vor: Dabei wurden die existierenden Häuser einer Ortschaft komplett durchnummeriert. Anschließend erhielten alle neuen Gebäude in der Reihenfolge der Errichtung eine fortlaufende Nummer. So ist es auch in Odagsen gewesen. Welche Gebäude allerdings schon existierten und welche eine Nummer durch Errichtung erhielten kann ich jedoch nur vermuten. In o.g. Beitrag sind 1752 die Hausnummern 1 und 2 an die Vollmeier, 3 und folgende an die Halbmeier vergeben wobei die anderen Bezeichnungen wie "Anbauer" weggelassen wurden. Im Einbecker Adressbuch von 1912 sind diese Bezeichnungen noch aufgeführt. Auch hier belegen Haus-Nr. 1-2 die Vollmeier, 3-5 die Halbmeier, 6-11 die Vollkötner und bis 20 die Halbkötner, dazu kommen Pfarrhaus (21), Schulhaus (23) und das Witwenhaus (24).
Ein weiteres Indiz sind die Anteile der Forstgenossenschaft Landmannsholz wie im Beitrag "Entstehungsgeschichte der Forstgenossenschaft Landmannsholz" beschrieben. Die Gebäude bis einschließlich Hausnummer 26 haben (fast) alle einen Anteil, es müssen demnach 1565 bereits Höfe bzw. Hofstellen dort existiert haben.Es ist allerdings davon auszugehen das kaum ein Haus das heute an der jeweiligen Stelle steht damals bereits komplett vorhanden war. Ich bin allerdings überzeugt, das von manchen heutigen Häusern Teile damals bereits gebaut waren.
Wenige Jahre nach der Eingemeindung von Odagsen wurden dann Straßennamen mit Hausnummern innerhalb dieser Straßen eingeführt. Hier galt das Prinzip der „Orientierungsnummerierung“ oder „Zickzackprinzip“. Eine Straßenseite erhielt die geraden, die andere Seite die ungeraden Hausnummern. Zwar hatten einige Straßen bereits umgangssprahliche Eigennamen (z.B. ich gehe in die Kaffeestrasse), da diese jedoch bereits in Einbeck oder anderen Ortsteilen vergeben waren wurden hier z.Teil neue Namen vergeben. So wurde z.B. aus der "Trift" die Straße "An der Aue" oder aus dem "Mühlenweg" die "Mühlenstraße".
Mit Wirkung vom 01.01.2013 wurde die Gemeinde Kreiensen in die Stadt Einbeck eingemeindet. Hier mussten wieder einige der Straßennamen geändert werden. Hier galt nun bei identischen (Straßen-)Namen musste eine Änderung erfolgen wenn die Anzahl der Bewohner war geringer als in der Straße des anderen Orts. So wurde in Odagsen aus der "Mühlenstrasse" "Zur Mühle" und aus "Im Winkel" die "Winkelgasse".
Frontverlauf vom 28. März bis 04. April 1945
Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=588654
Frontverlauf vom 05. bis 18. April 1945
Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=588661
Schlussoperationen des Krieges
Von user:W.wolny - www.dean.usma.edu, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=588668